An einem Sonntagmorgen im Oktober 2011 las der Himalaja-Experte und Buchautor Peter van Ham aus Frankfurt im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen aus seinem neuen Buch Krieger von Sonne und Mond.
Lesungsmatinee und Buchvernissage am 16. Oktober 2011 in St. Gallen mit Peter van Ham
An einem Sonntagmorgen im Oktober 2011 las der Himalaja-Experte und Buchautor Peter van Ham aus Frankfurt im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen aus seinem neuen Buch Krieger von Sonne und Mond.
Auf dem Tisch im Lesungssaal konnten die Besucher schon einige der Exponate sichten, die in der großen Sonderausstellung zum Kulturraum Nordost-Indien, die Peter van Ham als Gastkurator gestaltet, 2013 zu sehen sein werden. Peter van Ham betreute bereits 2009/10 die Ausstellung «Indiens Tibet – Tibets Indien» im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen.
Dr. Daniel Studer, der Leiter des Museums, begrüßte die Zuhörerinnen und Zuhörer.
Eine Einführung zu Buch und Autor gab Dr. Monika Oertner vom Waldgut Verlag.
Peter van Ham zeigte eine Vielzahl von erstaunlichen Lichtbildern und erzählte von seinen Reisen zu den «Sieben Schwestern Indiens», den Bundesstaaten im Nordosten des indischen Subkontinents. Dieses riesige Gebiet zwischen Tibet, China, Burma und Bangladesch erstreckt sich von den eisigen Gipfeln des Himalajas bis hinunter in die feuchtheißen Ebenen Assams. Auf der Landkarte war dieses Gebiet bis in jüngster Zeit von weißen Flecken übersät, oftmals nur mit der vagen Angabe versehen: «von zahlreichen wilden Stämmen bewohnt».
Unter dem schützenden Dach des Regenwaldes haben sich ungewöhnliche Stammesriten bewahrt, die wenig mit dem hinduistischen Indien gemein haben. Bei einigen der über 500 Ethnien, die hier zu Hause sind, spielt die – heute meist symbolisch praktizierte – Kopfjagd und die Präsentation der Schädeltrophäen eine zentrale Rolle. Familienverbände von Hunderten von Mitgliedern leben in Langhäusern zusammen, praktizieren einen Megalithkult um Riesensteine, die Vielehe und die Erbfolge über die mütterliche Linie (wogegen eine männliche Emanzipationsbewegung Sturm läuft).
Das Publikum war bezaubert von der natürlichen Eloquenz des Erzählers Peter van Ham und beeindruckt von der Fülle der Bilder, Informationen und neuen Denkanstöße.
Nach der Lesung entwickelten sich rege Gespräche zwischen Autor und Gästen ...
... Bücher waren zu signieren ...
... und die Gäste sprachen dem Apéro zu.
Allgemein freuten sich über das aus der Taufe gehobene neue Buch: Berrit Fuhrmann-Stiehler (Waldgut Verlag, Presse), Dr. Monika Oertner (Waldgut Verlag, Lektorat), Peter van Ham, Beat Brechbühl (Waldgut-Verleger), Dr. Daniel Studer (Historisches und Völkerkundemuseum).
Zu diesem Fototermin versammelte man sich übrigens im Indien-Saal – passend zum Thema Kopfjäger in Nordost-Indien – vor der Vitrine der Göttin Kali, im (stammesgeprägten) Hinduismus zuständig für Tod und Zerstörung.
Das frisch gedruckte Buch:
Peter van Ham, Krieger von Sonne und Mond
Mythen und Märchen der Völker im Nordosten Indiens
Waldgut Verlag, Frauenfeld 2011
Broschur mit Bildteil, 136 Seiten
ISBN 978-3-03740-104-0
Untenstehend drei Mythen als Leseprobe:
Warum die Tage länger und kürzer werden
Mythos der Digaru-Mishmi (Loiliang)
Manchmal ist die Sonne ein Mann und manchmal eine Frau. Wenn sie eine Frau ist, ist der Tag lang, und wenn sie ein Mann ist, geht dieser schnell nach Hause und legt sich faul ins Bett. Dann ist der Tag kurz.
Von der Liebe zwischen Himmel und Erde
Mythos der Adi-Minyong (Yeksi)
Zu Beginn der Zeit lagen Sedi, die Erde, und Melo, der Himmel, nah beieinander, da sie Mann und Frau waren. Doch als Polung-Sabbo, das erste Mithun-Rind geboren wurde und über das Land wanderte, stieß es mit seinen Hörnern immer an die Wolken. In seinem Ärger darüber wirbelte es sie fort, weit, weit weg von der Erde. Doch später, als die trockene Erde erschienen war, verlangte es Sedi, zu Melo zurückzukehren, wieder eins mit ihm zu sein. Als sie ihren Körper ihm in Verlangen entgegenzustrecken suchte, kamen Donyi, die Sonne, und Polo, der Mond, hervor und sandten ihr Licht auf die Erde. Beschämt ob ihres Verlangens erstarrte Sedi auf der Stelle. Der Teil von ihr, der sich bereits dem Himmel entgegengereckt hatte, ist bis heute zu sehen. Es sind die Berge.
Wolken
Mythos der Digaru-Mishmi (Loiliang)
Wolken sind die Schweine des Himmels. Es gibt eine Reihe von Ketten, die über den Himmel gespannt sind, und entlang dieser wandern die Wolkenschweine. Wenn sich zwei Wolkenschweine treffen, kämpfen sie miteinander, und wenn sich ihre Borsten aneinander reiben, zucken Blitze über den Himmel. Die Schweine grunzen laut während sie kämpfen, dies hören wir als Donner.
(Alle Lesungsfotos Predrag Tatalovic)